Winterdepression

Veröffentlicht am 2. Dezember 2025 um 13:35

Winterdepression verstehen und gut durch die dunkle Jahreszeit kommen

Viele Menschen merken es schon mit Herbstbeginn. Die Tage werden kürzer, das Licht wird spärlicher und plötzlich verändert sich etwas im Inneren. Die Stimmung sinkt, der Antrieb lässt nach und der Alltag fühlt sich schwerer an als sonst. Für einige ist das ein vorübergehendes Stimmungstief, für andere eine ausgewachsene Winterdepression, auch saisonale Depression genannt. In meiner Praxis erlebe ich diese Jahreszeit jedes Jahr als Phase, in der viele Klient:innen mit ähnlichen Fragen kommen. Warum geht es mir plötzlich so? Liegt es an mir oder an der Jahreszeit? Und vor allem was kann ich jetzt tun, damit es leichter wird?

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, was eine Winterdepression ist. Sie entsteht, wenn der Körper weniger Licht bekommt und dadurch bestimmte Botenstoffe verändert gebildet werden. Melatonin, das Schlafhormon, steigt und macht müde. Serotonin, das Stimmungshormon, sinkt und wirkt sich auf Antrieb und Wohlbefinden aus. Dazu kommt oft ein veränderter Tagesrhythmus, weniger Bewegung und der Rückzug nach innen. Viele beschreiben es als Gefühl von Nebel im Kopf, eine gedämpfte Wahrnehmung oder das Gefühl, innerlich schwerer zu werden. Diese Reaktionen sind nicht Ausdruck von Schwäche. Sie sind nachvollziehbare Antworten des Körpers auf reale Veränderungen in der Umgebung.

Was viele zusätzlich belastet, ist der innere Druck, trotzdem zu funktionieren. Genau hier beginnt meist die Spirale, die die depressive Stimmung verstärken kann. Wenn wir gegen unseren Zustand ankämpfen, erzeugen wir Anspannung. Wenn wir ihn hingegen anerkennen, entsteht Raum. Raum, um wieder mit uns selbst in Kontakt zu kommen.

Es gibt einige Dinge, die schnell Entlastung bringen können. Sie müssen nicht kompliziert sein und erfordern kein umfassendes Umwerfen des Lebens. Oft wirken kleine, konsequent umgesetzte Schritte erstaunlich gut.

Ein erster hilfreicher Zugang ist Licht. Natürliches Tageslicht hat eine enorme Wirkung auf den Biorhythmus. Schon zehn bis fünfzehn Minuten draußen, am besten am frühen Vormittag, können das innere Gleichgewicht unterstützen. Für manche Menschen ist zusätzlich eine Tageslichtlampe sinnvoll. Sie ersetzt zwar nicht die Sonne, sie kann aber helfen, den Melatonin -Serotonin Rhythmus zu regulieren. Wichtig ist, sie täglich zu nutzen und sich nicht erst dann darauf zu verlassen, wenn es schon sehr schlecht geht.

Bewegung ist ein weiterer stabilisierender Faktor. Sie muss nicht intensiv sein. Ein Spaziergang, leichtes Yoga oder ein ruhiges Ausdauertraining reichen oft aus, um die Stimmung spürbar zu verbessern. Der Körper produziert dabei Neurotransmitter, die direkt auf die depressive Symptomatik wirken. Viele meiner Klientinnen berichten nach einigen Tagen, dass sie wieder das Gefühl bekommen, innerlich klarer zu werden.

Ein stabiler Tagesrhythmus ist ebenfalls unterstützend. Gerade wenn die innere Müdigkeit zunimmt, hilft es, gewisse Strukturen beizubehalten. Aufstehen zu einer ähnlichen Zeit, regelmäßige Mahlzeiten, bewusste Pausen und Phasen der Ruhe. Struktur bedeutet in diesem Kontext nicht Härte, sondern Halt.

Manchmal braucht es auch einen Blick auf die Ernährung. Der Körper reagiert in dieser Jahreszeit sensibel auf Blutzuckerschwankungen und zu wenig Energiezufuhr. Proteinreiche, nährstoffdichte Mahlzeiten unterstützen die Stabilität. Viele Menschen berichten im Winter von erhöhtem Appetit auf Kohlenhydrate. Das ist physiologisch erklärbar und kein Grund zur Sorge. Oft hilft es, diesen Appetit bewusst und ausgewogen zu integrieren, statt dagegen anzukämpfen.

Trotz all dieser Möglichkeiten kann es Phasen geben, in denen die Symptome zu belastend werden, um sie alleine zu regulieren. Genau hier setzt Psychotherapie an.  In der gestalttherapeutischen Arbeit geht es darum, wahrzunehmen, wie du im Kontakt mit dir selbst bist. Welche Bedürfnisse auftauchen. Welche inneren Stimmen laut werden. Und welche Erfahrungen aus der Vergangenheit vielleicht im Winter stärker hervortreten.

Die dunklere Jahreszeit wirkt wie ein Verstärker. Sie bringt das an die Oberfläche, was ohnehin in uns wirkt. Therapieraum bedeutet, gemeinsam hinzuschauen und ein Verständnis zu entwickeln, das über die reine Symptomreduktion hinausgeht. Manche Menschen erleben im Winter ihre innere Kind Ebene deutlicher. Gefühle von Einsamkeit, Unverbundenheit oder alten Schutzmustern werden spürbarer. In der therapeutischen Begleitung können diese Muster behutsam erkundet und in einen neuen Kontext gebracht werden. Oft entsteht im Laufe der Arbeit ein stabileres Gefühl von innerer Präsenz, das auch in herausfordernden Zeiten trägt.

Wichtig ist, zu wissen, dass eine Winterdepression behandelbar ist. Sie ist ein ernstzunehmender Zustand, aber kein endgültiger. Mit Wissen, Selbstunterstützung und therapeutischer Begleitung kann diese Jahreszeit sogar zu einer Phase werden, in der du dich selbst besser kennenlernst und neue Wege der Selbstfürsorge entwickelst.

Wenn du merkst, dass die dunklen Monate dich besonders fordern, musst du nicht darauf warten, dass es im Frühling wieder leichter wird. Unterstützung hilft. Und manchmal ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt, gut für dich zu sorgen.